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Unterwegs sagte ich zu ihm „Du, Ranzen, haben wir uns gestern wirklich miteinander unterhalten, und wirst du mir künftig wirklich bei den Aufgaben und Klassenarbeiten helfen???“ Er aber sprach nicht mit mir. Stattdessen hatte ich das Gefühl, als hüpfe er auf meinem Rücken auf und nieder.

Ob das wohl „Ja“ bedeuten sollte?

Es blieb mir nichts anderes, als es zu hoffen.

Tief in Gedanken versunken merkte ich gar nicht wie schnell ich bei Steffi ankam, die mich schon an der Gartentüre erwartete.

„Guten Morgen Heike, hast du dich auch auf die heutige Geographiearbeit vorbereitet?“ wollte sie sofort von mir wissen.

Au weia! Daran hatte ich vor lauter Fußball ja gar nicht mehr gedacht … - was jetzt?

„N .. - nein“, stammelte ich „die hatte ich total vergessen.“

„Das ist Mist“, platzte es daraufhin aus Steffi heraus „dabei brauchst du doch mindestens eine drei plus, um die fünf vom mündlichen auszumerzen. Wie willst du das denn machen?“

Mehr als ein „Ich habe keine Ahnung“, fiel mir nicht ein. Doch heimlich hoffte ich auf die Unterstützung meines Ranzens.

Richtig bedrückt schaute mich meine Freundin an

„Na, vielleicht lässt man uns zusammen sitzen oder zumindest in der Nähe. Dann kannst du gerne versuchen bei mir zu spicken. Aber lass dich bitte nicht dabei erwischen. Nicht dass es uns beide Kopf und Kragen kostet.“

„Das ist lieb von dir gemeint, Steffi, aber ich will dir deine Note wirklich nicht vermiesen. Deshalb kommt das so für mich nicht in Frage.“

„Willst du trotzdem mit in die Schule kommen? Du könntest ja auch zurück nach Hause gehen und deiner Mutti sagen es gehe dir sehr schlecht. Vielleicht nimmt sie es dir ja ab ...“

„Nein, Steffi, das würde mir meine Mutti niemals glauben.“

Ich schickte ein Stoßgebet gen Himmel und in Richtung meines Ranzens. Denn jetzt konnte nur noch er mir helfen.

„Du kommst also wirklich mit in die Schule?“

„Ja, das mache ich. Ich sehe keine andere Möglichkeit, und wer weiß, vielleicht wird es ja auch nicht ganz so schlimm, wie wir es jetzt befürchten.“

„Okay, vielleicht ist unser Geolehrer ja auch krank ...“

„Nee, das glaube ich nicht, der Pilgert hat noch nie die Schule geschwänzt, das weißt du doch!“

„Ja, aber ...“ Steffi verstummte. Und so blieb es auch bis wir in der Schule waren.

Ausgerechnet in der ersten Stunde hatten wir den Pilgert, und wie erwartet war er auch da.

Mir blieb nichts weiter, als ein weiteres Stoßgebet gen Himmel zu schicken, in der Hoffnung darauf, dass es mein Ranzen hören möge.

Dann wurden die Blätter für die Geoarbeiten ausgeteilt.

Steffi sah mich mitleidig an, dann setzte der Pilgert sie in die erste und mich in die letzte Reihe, so als hätte er das Angebot von Steffi unterwegs gehört.

Mir war es gerade recht, denn schlafen konnte man sowieso in der letzten Bank am besten.

Trotzdem sah ich mir den Zettel mit den Fragen zur Klassenarbeit natürlich an.

Dabei stellte ich fest, dass jede Frage nur mit einem Kreuzchen an der richtigen Stelle zu beantworten war.

Allerdings erkannte ich auch, dass ich von diesen Fragen rund neunzig Prozent nicht beantworten konnte. Just in diesem Moment stieß mich etwas am rechten Fuß an. Und fast hätte ich laut gefragt „Was soll das?“ Doch ich erkannte noch rechtzeitig, dass der Stoß nur von meinem Ranzen gekommen sein konnte. Denn weder rechts noch links von mir saß irgendwer.

Deshalb blickte ich geschwind hinunter und bekam gerade noch mit, dass das eine Katzenauge meines Ranzens mit zuzwinkerte. Das nahm ich als Aufforderung dafür, dass mein Ranzen bereit war mir zu helfen.

Wie zufällig ließ ich das Blatt mit den Fragen und meinen Schreiber vom Tisch gleiten und wartete einen Augenblick. Unser Lehrer, den ich dabei die ganze Zeit nicht aus den Augen ließ, saß währenddessen gemütlich an seinem Pult und las die Saarbrücker Zeitung.

Ob es ihm egal ist wer bei wem spickt? fragte ich mich heimlich. Wieso aber hat er dann Steffi und mich nicht zusammen gelassen?

Nun, da es sowieso zu spät war um dagegen noch einen Einwand zu erheben, schwieg ich dazu und bückte mich stattdessen, um das Blatt mit den Fragen sowie auch meinen Stift wieder aufzuheben.

Noch einmal blinzelte mich dabei das Katzenauge meines Ranzens an.

Ich nickte nur dazu, wusste aber noch immer nicht was ich davon halten sollte.

Doch kaum lag das Blatt vor mir war ich mehr als baff.

Alle Fragen waren beantwortet

Ob sie wohl richtig beantwortet wären? Wer, außer Pilgert, wusste das schon?

Aber falscher, als ich sie hätte beantworten können, konnte dies ja auch mein Ranzen nicht getan haben. Deshalb war es ja auch schon egal. Ich sah mir die Fragen und die angekreuzten Antworten gar nicht mehr an, sondern rief nur noch in die Klasse „Herr Pilgert, darf ich gehen? Ich bin fertig mit der Klassenarbeit!“

Mein Lehrer, der in diesem Moment von der Saarbrücker Zeitung aufsah, wirkte ziemlich irritiert. Hatte ich ihn etwa irritiert durch meinen Ruf?

Oder hatte er einen Artikel gelesen, der das bewirkte?

Nun, das konnte mir eigentlich ziemlich egal sein. Wichtig war jetzt nur für mich, dass ich die Arbeit abgeben konnte und so schnell wie möglich aus der Klasse kam.

Denn was sollte ich hier jetzt noch?

Draußen hingegen konnte ich mich bei meinem Ranzen, den ich selbstverständlich mitnehmen würde, für seine Hilfe bedanken. Ganz gleich welche Note bei der Klassenarbeit auch herauskommen würde.

Da von Pilgert keine Antwort kam fragte ich ihn nochmals: „Darf ich die Arbeit jetzt abgeben und die Klasse verlassen, Herr Pilgert? Ich bin nämlich fertig!“

Es ertönte ein lang gezogenes „Jaaaa … - dann komm her damit.“

Ich stand auf, nahm meinen Ranzen, und brachte ihm die Klassenarbeit.

„Wieso lässt du deinen Ranzen nicht hier? Das tun doch alle anderen auch? Du brauchst ihn doch nicht ...“ wollte Pilgert von mir wissen.

Doch ich schüttelte nur den Kopf, gab die Arbeit ab und verließ den Klassenraum.

Draußen bedankte ich mich bei meinem Ranzen, der mich fröhlich anzwinkerte. Und ich hätte zu gerne gewusst,ob er die Antworten wirklich alle richtig einsetzen konnte.

Aber darauf musste ich nun bis zur Rückgabe der Klassenarbeit warten.

Es dauerte Wochen, bis wir die Arbeit zurück erhielten … - Wochen, in denen ich fast vor Neugierde geplatzt wäre. Und bis dahin schrieben wir auch in keinem anderen Fach eine Klassenarbeit.

Doch als sie zurück kam war nicht nur ich erstaunt, sondern die ganze Klasse.

Zum ersten Mal war es mir gelungen eine Arbeit mit der Note „sehr gut“ zurückzuerhalten.

Oh, wie glücklich war ich darüber … - ich kann es gar keinem Menschen sagen.

Nur meinem Ranzen vertraute ich es an …

 Dieser jedoch machte mir eindeutig klar, dass er zwar bereit sei mir zu helfen, mich aber nicht vor jedem Schlendrian bewahren würde.

Das bedeutet ganz klar, dass ich mich in Zukunft auf ihn verlassen kann, aber deshalb nicht in den Irrtum verfallen darf selbst nichts mehr machen zu müssen.

Nur, mit dem Wissen, dass ich in Zukunft beim Lernen nicht mehr allein bin, lerne ich doppelt so gerne. Und wer weiß, vielleicht schaffe ich es ja irgendwann auch noch ohne die Hilfe meines Ranzens, bis dahin aber bin ich froh, wenn ich mich auf ihn verlassen kann …

 
  

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