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Ich hasse Schule

„Ich hasse Schule ...!“ Überlaut brüllte mir irgendwer diese Worte entgegen, und ich muss gestehen, ich war derselben Ansicht. Trotzdem wunderte ich mich darüber.

Denn ich war doch alleine, oder etwa nicht???

Zumindest hatte ich keinen gehört, als ich von der Schule nach Hause kam.

Und selbst auf meinen Ruf „Ich bin wieder da … - was gibts zu essen???“ hatte keiner reagiert.

So still war es bei uns zu Hause immer nur dann, wenn wirklich keiner da war.

Wer also sollte da eben so laut geschrien haben?

Unsicher blickte ich mich in meinem Zimmer um, doch da war keiner.

Eigentlich fand ich das prima, denn so hätte ich endlich mal machen können was ich wollte. Und wie sehr hatte ich mich schon auf den Moment gefreut, in dem ich endlich die BRAVO aus dem Ranzen holen konnte um sie zu lesen.

Das hätte ich sicher auch gemacht … - wäre da nicht eben dieser Schrei gewesen.

Von wem kam dieser Ruf wohl?

Hatte sich etwa doch jemand in meinem Zimmer versteckt?

Oder sollte das Geschrei von draußen gekommen sein?

Ich blickte durch mein Zimmerfenster, das mir einen sehr weiten Blick in die Umgebung gestattete, aber ich konnte niemanden ausmachen.

Von draußen schien es also nicht gekommen zu sein … - seltsam!
Nur von irgendwo musste er doch gekommen sein, oder?
Ich sah mich in meinem Zimmer um, entdeckte aber niemanden.

Hier war außer mir keiner, soviel stand für mich fest.

Na prima!

Es wäre ja auch zu blöd gewesen, schließlich war das mein Zimmer und ich ließ schon lange nicht mehr jeden gern zu mir rein.

 „Heikes Reich – Betreten strengstens verboten!“

Das stand in großen Buchstaben auf einem knallroten Schild, das außen an meiner Zimmertür hing. Extra gruselig hatte ich es gemalt in der Hoffnung darauf, dass man sich dadurch von allein an diese Aufforderung halten würde.

Aber von wegen ...!

Langsam hatte ich das Gefühl als würde es gerade dafür sorgen, dass sich Mario, mein kleiner Bruder, und meine neugierige Mutter am liebsten bei mir tummelten. Mich aber nervte das jedes Mal aufs Neue ganz gewaltig.

Der Einzige, der Rücksicht auf meine Worte nahm, war mein Vater.

Er betrat mein Zimmer nur sehr selten, und wenn, dann klopfte er jedes mal davor an und wartete ab, ob ich ihn herein bat. Tat ich es nicht blieb er in der Regel draußen und wartete bis ich wieder mein Zimmer verließ, um mit mir zu reden.

So gehörte sich das meiner Meinung nach auch!

Bei den anderen jedoch war es wirklich wie verhext.
Ich konnte ihnen einfach nicht beibringen, mich in Ruhe zu lassen.

 Warum wollten sie nicht endlich verstehen, dass ich es nicht leiden konnte wenn jeder unaufgefordert bei mir antanzte? Dabei nahmen sie dieses Recht für sich selbst fortwährend in Anspruch, vor allem Mario. Er brüllte immer wie am Spieß, wenn ich ihn in seinem Zimmer besuchen wollte. Und auch bei meinen Eltern durfte ich nicht ohne anzuklopfen das Schlafzimmer betreten, wenn sie beide da drin waren.

 Nur bei mir erlaubten sie sich das immer wieder...

 Dabei war ich doch wirklich schon in einem Alter, in dem ich auch meine Privatatmosphäre brauchte. Immerhin wurde ich bereits dreizehn. Und mit dreizehn hat man ja schließlich auch schon seine kleinen Geheimnisse, die man mit keinem anderen teilen will.

 Wieso nur wollten die anderen das nicht endlich verstehen?

 Ach Mensch, würde man sich doch endlich an das halten, was auf dem Schild stand!
Aber ich konnte machen was ich wollte, sie kamen meistens dann bei mir rein, wenn ich sie am wenigsten brauchte.

 Mario, meinen kleinen Bruder, konnte ich ja noch raus werfen ...

 Aber meine Mutter?

 Sie ließ sich den Zugang zu meinem Zimmer von mir nicht verbieten, sondern kam geradewegs dann zu mir rein geschneit, wann es ihr passte. Nicht mal anklopfen wollte sie.

 Dabei hatte ich ihr ganz bestimmt schon tausendmal erklärt, dass sich das nicht gehört.
Ich musste mir also etwas Neues einfallen lassen, um in meinem Zimmer endlich Ruhe vor den anderen zu haben ...

 Nur was???

 Wieder einmal, wie so oft, begann ich darüber zu brüten wie ich mir Ruhe vor den anderen verschaffen konnte, aber nicht lange ...

 Denn in diese Gedanken versunken hörte ich es schon wieder.

 „Scheiß Schule, ich hasse Schule ...“

 Woher kam das bloß?
Egal wie sehr ich mich auch umsah, ich konnte nirgends etwas entdecken.

 

Dabei schaute ich wirklich überall nach. Im Schrank, unterm Bett, sogar ganz oben auf die Ablage vom Schrank blickte ich. Dazu hatte ich mir extra einen Stuhl geholt, auf den ich auch noch drei dicke Bücher gelegt hatte. Eine ganz schön wackelige Angelegenheit ...

Aber vom Schrank kam es auch nicht, seltsam!

Wer machte sich da bloß so einen Jux mit mir?

Mario hätte ich es schon zugetraut, dass er es sich irgendwo in meinem Zimmer gemütlich gemacht hatte, um mich zu ärgern. Denn von Zeit zu Zeit kam er auf solch einen Unfug.

„Mario, wo bist du???“ rief ich deshalb laut aus.

Keine Reaktion!

Um sicher zu gehen, dass sich Mario nicht doch irgendwo in meinem Zimmer verkrochen hatte, sah ich auf seinen Stundenplan. Dieser verriet mir, dass er noch wenigstens zwei Stunden Schulunterricht hatte, sofern nicht auch bei ihm ein Lehrer den Unterricht schwänzte.

Aber das geschah in seinem Jahrgang erfahrungsgemäß nur recht selten. Dafür kam es bei uns umso öfter vor. Wieso sich unsere Lehrer das einfach erlauben konnten war mir schleierhaft. Denn wehe ich kam auf eine derartige Idee, was ich natürlich auch schon ausprobiert hatte.

Das einzige, was mir das damals eingebracht hatte war ein Eintrag im Klassenbuch und ein unentschuldigter Fehltag auf dem Zeugnis, weshalb ich einen mordsmäßigen Ärger mit meinen Eltern bekam. Dabei hatte ich ihnen erklärt, dass unsere Lehrer das genauso machten und ich es ihnen lediglich abgeschaut hatte. Und wenn die das Recht dazu hatten, dann konnte mir das doch wohl auch keiner verbieten, oder?

Aber das sahen meine Eltern völlig anders als ich.

Ihnen war egal was meine Lehrer machten, mein unentschuldigtes Fehlen jedoch nicht. Deshalb verlangten sie auch von mir, dass ich solche Sachen in Zukunft unterlasse.

Ach, wie ungerecht das Leben doch sein kann …

Noch einmal vergewisserte ich mich, durch einen weiteren Blick auf Marios Stundenplan, dass dieser Überzwerg noch nicht da sein konnte. Damit war für mich klar, er konnte mir diesen Streich nicht spielen.

Aber, wer war es dann?

Ich suchte meine Eltern, fand sie aber nicht in der Wohnung.
Wo sie wohl wieder mal sind, ging es mir durch den Kopf.

Dann schaute ich auf die Uhr um festzustellen Papa ist sicher noch auf der Arbeit, aber Mutti? Wo soll sie denn um diese Uhrzeit nur stecken? Normalerweise ist sie doch zu Hause wenn ich aus der Schule komme. Ob sie sich wieder einmal mit der Nachbarin verquatscht hat? Das passierte hin und wieder schon mal, seit sie gemeinsam zum Nähunterricht fuhren.

 „Verflixt, immer kriege ich die Prügel ab wegen der Scheißschule ...“ ereiferte sich schon wieder diese mir unbekannte Stimme lautstark.

Wie durch einen Nebelschleier nahm ich es wahr.
Irgendwer muss doch da sein, ging mir dabei durch den Kopf.

Aber kein Mensch war im Gestrüpp … - merkwürdig!

Ich ging zurück in mein Zimmer und wollte mich schon an meinen Schreibtisch setzen, da ertönte diese Stimme zum vierten Mal.

„Morgen mache ich diesen Mist nicht mehr mit! Soll doch in die Schule gehen wer will, ich nicht mehr!!!“

Was sollte ich tun?

Was war hier los und wer brüllte hier so?
Das erlaubte ich mir ja noch nicht mal bei mir zu Hause.
So langsam wurde mir die Sache unheimlich.
„Wer bist du und wo bist du?“ fragte ich zaghaft.

Keine Antwort!

„Jetzt sag mir schon wo du steckst“, kam es sogleich eine Spur ärgerlicher von mir.

Nichts geschah!

Daraufhin suchte ich mein Zimmer ganz genau ab, aber es war vergebens.
Außer meinen Möbeln und meinen Klamotten sah ich nichts.

Und so sehr ich mich auch umsah musste ich doch zugeben, es sah absolut gar nichts in meinem Zimmer verdächtig aus.

Na so was aber auch …

Sollte ich mir das alles nur eingebildet haben, in meinem Ärger auf die Schule?
Denn ärgerlich war ich wirklich, nein nicht nur ärgerlich sondern richtig stinkig!
Und dazu hatte ich meiner Meinung nach auch jeden Grund!

Schließlich musste ich mich schon wieder in Mathe mit einer drei Minus zufrieden geben, obwohl ich doch gerade für diese Arbeit soviel gebüffelt hatte. Und nur wegen ihr musste ich sogar aufs Schwimmbad verzichten, wo ich doch mit meinen Freundinnen verabredet war.

Sie hingegen waren schwimmen und hatten dennoch die besseren Noten in der Mathe-Arbeit bekommen.

Richtig gegrinst hatten sie, als die Noten dieser Klassenarbeit vorgelesen wurden.

Dabei hätte ich sie … - können, so wütend machte mich ihr Grinsen!

Furchtbar enttäuscht über diese Pleite mit der Mathe-Arbeit setzte ich mich neben meinen Ranzen auf den Boden. Das tat ich immer, wenn ich so richtig die Schnauze voll hatte. Und meistens prügelte ich dann auf meinen Ranzen ein.

Doch soweit war ich in diesem Augenblick noch nicht.

Ach, Mensch, ich hasse Schule, ging es mir gerade durch den Kopf, als ich ganz in meiner Nähe ein lautes Seufzen vernahm, dem die Worte folgten „Ich weiß, ich kann sie auch schon nicht mehr sehen ...“

„Wer spricht da???“

„Na ich!“

Verwirrt sah ich mich um.

„Wer du?“

„Dein Ranzen, oder glaubst du es macht mir Spaß wie du mit mir umgehst und mich auch durch die Gegend feuerst, wenn du dich über deine Noten ärgerst?“

„Ja spinne ich denn jetzt völlig? Seit wann sprechen Ranzen? Verarsch mich nicht, wer spricht da?“

Langsam wurde ich richtig sauer.
Irgendwer musste sich da einen Spaß mit mir machen, nur wer?

„Du kannst es mir schon glauben, es ist doch sonst keiner da. Du hast dich doch schon überall umgesehen. Also glaub mir endlich! Es ist sowieso an der Zeit, dass ich dir sage, dass ich von all dem die Schnauze mehr als gestrichen voll habe. Schließlich kann ich doch nichts dafür, dass du keine anderen Noten kriegst! Also, wieso lässt du ständig deine Wut an mir aus?“

Mir blieb nichts anderes übrig als entweder an meinem Verstand zu zweifeln oder zu glauben, dass mein Ranzen begonnen hatte ein Eigenleben zu führen, und sich hier auf einmal mit mir unterhielt. Doch da ich an meinem Verstand, trotz der dämlichen Mathe-Note nicht zweifeln wollte, glaubte ich das was ich hörte. Deshalb schaute ich mir meinen Ranzen jetzt auch etwas näher an.

Und was ich sah … - nein, ich konnte es einfach nicht fassen.

Da saß der Ranzen doch tatsächlich lebendig am Boden.

Fast alles was ein Mensch auch hatte sah ich an ihm, Arme und Beine, einen Rumpf.

Nur der Kopf fehlte … - stattdessen funkelten mich die Katzenaugen der Verschlüsse wie wild geworden an. Und die große Lasche, an der der Ranzen zu öffnen war hatte die Form eines großen feuerroten Mundes angenommen, der komplett von der einen Seite bis zur anderen des Ranzens ging. Irgendwie seltsam sah er aus, und dennoch gefiel er mir so.

Aber war er das wirklich noch?

Ich konnte es kaum glauben, deshalb wollte ich von ihm wissen „Was ist denn mit dir passiert?“

„Nix!“ Richtig verärgert kam diese Antwort bei mir an.

„Doch, es muss etwas passiert sein!“ beharrte ich auf meiner Meinung. „Sag nicht nix, denn du warst doch in der Schule und auf dem Heimweg noch ein ganz normaler Ranzen … - oder?!?“

Kopfschüttelnd betrachtete ich ihn.

„Ja, das war ich. Aber als ganz normaler Ranzen konnte ich mich mit dir nicht unterhalten. Und ich habe die Schnauze gestrichen voll von dir, so wie du mich behandelst! Deshalb ...“

„Was ist deshalb???“

„Deshalb hatte ich gar keine andere Wahl als das Angebot von Pieps anzunehmen. Der hat das nämlich, wie er sagte, auch schon lange genug mitangesehen und mir das Angebot gemacht mich für dieses Gespräch lebendig werden zu lassen....“

„Ach so ...“, unterbrach ich ihn, obwohl mir das einfach nicht in den Kopf ging.

Doch mein Ranzen ließ sich davon nicht aufhalten.

„Ja, er machte es, aber nur für dieses eine Gespräch. Danach muss ich wieder zum leblosen Ranzen werden oder für immer verschwinden. Wir haben also nicht ewig Zeit. Deshalb sag mir besser gleich ob du wirklich vorhast weiterhin so mit mir umzugehen, oder ob du endlich mit mir so umgehst wie ich es verdiene. Ich bin nicht mehr bereit dazu mich immer von dir als Blitzableiter benutzen zu lassen! Davon habe ich nämlich ganz gewaltig die Schnauze voll!“

Ungläubig sah ich mir meinen Ranzen an, ohne wirklich zu verstehen was hier vor sich ging.

So was hatte es doch wirklich noch nie gegeben.

Spielte mir hier meine Phantasie etwa einen Streich?
„Wer oder was ist Pieps?“ interessierte ich mich für das, was ich gerade gehört hatte.

„Pieps, ja das ist … - nein, das sage ich dir jetzt nicht!“

„Und wieso nicht?“

„Weil du mir noch nicht versprochen hast, dass du in Zukunft anders mit mir umgehen wirst! Also wie steht es jetzt damit???“

„Wieso sollte ich das?“

„Weil du mich jedes Mal damit verletzt, wenn du mich irgendwohin pfefferst.“

Ich musste lachen, denn wie kann man einen Ranzen verletzen?

Das ist doch nur ein lebloses Ding ...
Es kehrte eine kurze Pause ein.

„Schau doch mal wie ich aussehe“, begann der Ranzen erneut „meinst du denn, dass mir das alles Freude macht? Ich schäme mich jedes Mal, wenn ich die anderen Ranzen sehe und von ihnen ausgelacht werde. Keiner von ihnen ist so ramponiert wie ich ...“

Zum ersten Mal, seit ich ihn hatte, sah ich mir meinen Ranzen richtig an.

Völlig verbeult saß er auf dem Boden und mir war schon klar, dass ich daran schuld war.

Aber an irgendwas musste ich ja schließlich meine Wut auslassen, wenn es in der Schule nicht so lief wie es sollte. Und es lief meistens nicht so wie es mir gefallen würde.

Was also sollte ich tun? Mit Mario konnte ich mich deshalb ja schlecht prügeln, und mich mit Mädchen anzulegen, das war einfach nicht mein Stil.

Noch einmal wandte ich dem am Boden kauernden Ranzen meine Blicke zu, und irgendwo begann er mir regelrecht leid zu tun. Aber musste er deshalb wirklich lebendig werden und mir Schuldgefühle machen?

Wie gerne hätte ich ihn danach gefragt … - stattdessen erklärte ich ihm: „Darüber habe ich noch niemals nachgedacht, schließlich bist du doch nur ein Ranzen.“

„Was heißt denn hier nur ein Ranzen?“ ereiferte er sich sofort „Auch Ranzen schmerzt es, wenn mit ihnen so umgegangen wird!“

„So ein Blödsinn, sag mir lieber mal wer Pieps ist!“ wollte ich jetzt, ziemlich angesäuert, von ihm wissen.

„Nein, das sage ich dir erst, wenn du mir versprochen hast, dass du in Zukunft anders mit mir umgehst. Im anderen Fall kannst du das vergessen!!!“ Richtig ungehalten brüllte er mir diese Worte entgegen.

„He, hee, jetzt gib dich mal wieder, was soll denn das Geschrei …???“

„Was ist jetzt? Hast du wirklich vor in Zukunft auch so rüde mit mir umzugehen?“

„Sapperlot, das weiß ich doch selbst noch nicht“, bekannte ich daraufhin unverblümt „oder kannst du mir vielleicht sagen wie ich zu anderen Noten komme?“

„Dazu kommst du garantiert nicht, wenn du mich überall hinschmeißt und mich weiterhin quälst!“

„Und wenn ich es nicht mehr mache? Ändern sich dadurch dann vielleicht meine Leistungen?“

Ungläubig schaute ich mir diesen seltsamen Kerl auf dem Boden an.

„Vielleicht ...“

„Was heißt vielleicht???“

Ich konnte darüber wirklich nur meine blonde Mähne schütteln, so unglaublich war das für mich.

Doch es war immer schon mein Traum bessere Noten zu erhalten, und deshalb war ich auch bereit einiges dafür zu riskieren. Aber das hätte ich doch meinem Ranzen niemals erzählt.

Es trat eine Pause ein, und ich hatte das Gefühl als würde mein Ranzen nachdenken.

Mir selbst war das ganz recht, denn ich liebte es meinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Allerdings behaupteten andere, vor allem meine Eltern, deshalb von mir ich sei eine Träumerin. Und das wiederum passte mir überhaupt nicht.

Aber was solls, in diesem Moment tat mir die schöpferische Pause richtig gut.

Doch was würde ihr folgen?

Sollte mein Ranzen etwa wirklich eine Idee haben, wie ich in Zukunft bessere Noten schreiben könnte?

Quatsch! So etwas erschien mir völlig unmöglich ...

Schon schweiften meine Gedanken ab, allerdings in eine Richtung, die ich so überhaupt nicht mochte. Denn ich ertappte mich dabei, dass ich an die Schule dachte.

Ach wie wenig mag ich die Schule … - dabei hatte ich mich doch so darauf gefreut als ich noch klein war. Und das war ganz sicher nicht nur die Vorfreude auf die Schultüte, ging es mir durch den Kopf. Aber unsere Lehrer sind doch allesamt ziemlich doof, und der Unterricht ist öde und langweilig ohne Ende. Wie gerne würde ich die Zeit, die ich in der Schule verplempere für anderes nützen ... Zu sicher war ich, dass ich mit der Zeit, die ich in der Schule vertrödelte, etwas viel sinnvolleres machen könnte.

Hätte ich keine Schule, dann könnte ich in dieser Zeit endlich mal mein Zimmer ausmisten, und die ausgemisteten Klamotten auf dem nächsten Trödelmarkt verkaufen.

Ich wusste auch schon genau, was ich mit dem dort erzielten Geld machen würde.

Schließlich brauchte ich schon lange ganz dringend einen neuen Fußball, den mir meine Eltern nicht kaufen wollten. Sie waren nämlich der Ansicht, dass ich mich auch noch mit anderen Sachen beschäftigen sollte als mit Fußball. Dabei war das doch so ziemlich das einzige, was mich wirklich interessierte.

Hätte ich keine Schule, dann könnte ich … - oder auch nicht???

Wie viel Zeit verbummelte ich doch unnötig in der Schule ...
Aber ich musste in die dusselige Schule gehen, und das noch ganz viele Jahre.

 Dabei stank sie mir jetzt schon ganz gewaltig, was meiner Ansicht nach bei unseren Lehrern auch nicht weiter verwunderlich war.

Wenn ich nur an die aufgebrezelte Tussi von Harth dachte, die uns Französisch beibringen sollte und selbst noch nicht mal in Paris war, dann verging mir wirklich alles. Die konnte mir ja vor ein paar Jahren noch nicht mal sagen wie viele Stufen der Eiffelturm hat. Und dabei hat mich das damals wirklich brennend interessiert.

Schließlich wollte ich ihn doch sooo gerne so malen, wie er wirklich ist. So aber konnte ich das nicht, und das gab ganz sicher den Ausschlag dazu, dass ich für mein tolles Bild nur eine vier bekam. Mensch, was war das eine Sauerei .. - dabei hätte ich meiner Meinung nach dafür wenigstens eine zwei plus verdient gehabt!

Verziehen hatte ich der Harth das bis heute nicht, obwohl es jetzt schon drei Jahre her war. Und weil ich mich darüber immer noch ärgerte, hatte ich mich seither auch, soweit ich es konnte, geweigert weitere Zeichnungen abzugeben. Allerdings führte das regelmäßig dazu, dass ich in bildender Kunst – wie sich das, meiner Meinung nach fälschlicher Weise, nannte - immer nur mit einer vier auf dem Zeugnis rechnen konnte.

Wie war das doch so ungerecht!

Ich nahm es daher regelmäßig zum Anlass der Harth eins auszuwischen. Nur leider ging der Schuss dabei manchmal nach hinten los und hatte mich schon so manches Mal meiner kostbaren Freizeit beraubt. Denn diese Tussi verlangte noch jedes Mal, wenn sie dahinter kam, dass ich es war die sie gerade wieder geärgert hatte, gnadenlos von mir, dass ich irgendwelche dusseligen Strafarbeiten machte, die meiner Ansicht nach ohne jeden Sinn waren. So sah ich das zumindest. Das war doch wirklich das Letzte ...

Deshalb nutzte ich diese Gelegenheiten regelmäßig, um sie zusätzlich zu ärgern.

Ich machte die Strafarbeiten zwar, weil sie sich sonst bei meinen Eltern oder dem Direx, Herrn Porr, über mich beschwert hätte, aber ich machte sie in der Regel so, dass sich die Harth darüber schwarz ärgerte. Einmal schrieb ich sie mit unsichtbarer Tinte, und die Harth wollte schon den Porr holen, weil sie mir nicht glaubte, dass ich sie gemacht hatte. Hab ich da gelacht … - umso wilder ist sie allerdings dabei geworden.

Um mir eine Strafpredigt des Rektors zu ersparen klärte ich sie in dieser Sache gerade noch rechtzeitig auf, bevor sie das Rektorzimmer stürmen konnte.

Dabei hätte ich sie nur zu gerne dumm sterben lassen.

Zuerst hatte ich die Hoffnung, dass nach dieser Sache endlich Frieden zwischen ihr und mir einkehren würde, doch weit gefehlt. Zu allem Überfluss verlangte sie von mir, dass ich so was nicht mehr mache. Und mir blieb gar nichts anderes, als ihr das zu versprechen.

Klar, dass sie mir so nicht davon kommen konnte.

Ich rächte mich an ihr indem ich ihren Stuhl, in einem Moment als ich allein in der Klasse war, mit Sekundenkleber einschmierte. Nichtsahnend hielt sie ihren Unterricht vor uns ab, und bevor sie sich versah saß sie auch schon auf dem Stuhl. Ich hätte mich kringeln können vor lachen. Denn ich wusste ja, dass sie damit wie eine Spinne im Netz gefangen war. Und wie gespannt wartete ich auf den Augenblick als sie sich endlich erhob, was leider erst gegen Ende der Unterrichtsstunde passierte. Dann aber ...

Ach, wie war das so köstlich, als sie sich ihren ganzen karierten Rock beim Aufstehen zerriss und im rosaroten Liebestöter vor uns stand. Es war ein Bild für die Götter, das sie so vermittelte.

Diese ungeschminkte, farblose Hexe mit ihren strähnig grauen Haaren, im angegrauten Spitzenblüschen, dem kaputten Schottenrock der nun teilweise durch einen rosanen Liebestöter ersetzt wurde, den weißen Kniestrümpfen und ihren schwarzen Lackschühchen, stand da, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. Und von der sonst ach so strengen Lehrerin war in diesem Moment nicht mehr viel übrig. Wäre sie nicht eine solche Zicke gewesen dann hätte sie einem schon fast leid tun können. So aber hat die ganze Klasse gebrüllt vor Lachen, und zwar so laut, dass ein an unserer Klasse vorbeigehender Lehrer unvermittelt zu uns rein schneite. Als der Braun sah was geschehen war, konnte selbst er sich nicht mehr des Lachens erwehren. Nur die Harth wurde rot wie eine überreife Tomate, und hat geflucht wie ein Rohrspatz.

Besonders geil fand ich an diesem Vormittag, dass ihr gar nichts anderes übrig blieb als in diesem Zustand auszuhalten bis sie endlich in ihrem Kleinwagen davon fahren konnte.

Bis zu dem Moment allerdings hat sich jeder, der sie so sah, über sie schepp gelacht.

Doch wer ihr das angetan hatte, das hat sie bisher nicht erfahren. Denn es hat keiner beobachten können, dass ich ihr den Sekundenkleber auf den Stuhl pappte.

Ich selbst hatte allerdings auch in soweit meine Lektion gelernt, dass ich seither nicht mehr mit der unsichtbaren Tinte meine Strafarbeiten gemacht habe.

Deshalb habe ich letztes Mal, als ich fünfhundert Mal den gleichen Satz schreiben sollte, eine Rolle Klopapier dafür genommen. Und wieder hat sich die Harth darüber aufgeregt wie ne nasse Katz …

Aber machen konnte sie rein gar nichts dagegen, schließlich hatte sie ja nicht gesagt auf was sie die Strafarbeit haben wollte. Zwar marschierte sie mit meiner Strafarbeit schnurstracks zu unserem Rektor, und der kam mit ihr auch zu uns in die Klasse um zu erfahren wer auf diese Idee gekommen war. Aber nachdem er mich mit seinen winzig kleinen Mäuseaugen ganz genau gemustert hatte stellte er nur lakonisch fest: „Die Strafarbeit scheint vollständig gemacht worden zu sein, es gibt daran also nichts zu beanstanden. Soviel kann ich dazu sagen, denn ich habe noch auf dem Weg hierher die Sache kontrolliert. Deshalb kann ich, außer der Tatsache, dass man hierfür ein anderes Papier hätte verwenden können, nichts daran bemängeln. Das Papier erscheint mir dafür allerdings etwas zu dünn zu sein, denn an einigen Stellen hat sich die Schrift eindeutig durchgedrückt. Aber sogar das Schriftbild kann sich sehen lassen, ich hätte es einem Mädchen von dreizehn Jahren nicht zugetraut.“

Von diesem Moment an war mir unser Rektor richtig sympathisch.

Die Harth aber sprang bei diesen Worten unseres Rektors fast aus der Buchs, denn ganz sicher hatte sie von ihm etwas anderes in dieser Sache erwartet. Für unsere gesamte Klasse jedoch war es eine riesen Belustigung. Und ich selbst muss jetzt noch lachen, wenn ich daran denke.

Schon wollten meine Gedanken zu meiner nächsten Schandtat wandern. Aber noch bevor das passierte meldete sich mein Ranzen lautstark zu Wort, und riss mich damit aus meinen Gedanken.

„Ja, sag mal bist du überhaupt noch da??? Die ganze Zeit rede und rede und rede ich mit dir, aber du hörst mir noch nicht einmal zu!!!“

„Sorry, was hast du gesagt? Ich glaube, ich war für einen Moment nicht ganz bei der Sache“, entschuldigte ich mich sogleich bei ihm.

„Einen Moment … - dass ich nicht lache. Weißt du überhaupt, wie lange du geistig abwesend warst?“

„N … nein, eigentlich nicht. War es denn länger als einen Augenblick?“

„So lange ich dich kenne hast du noch keinem Menschen so lange in die Augen geblickt, wie du jetzt abwesend warst“, stellte mein Ranzen nüchtern fest. „Von daher kann von einem Augenblick überhaupt keine Rede sein!“

„Entschuldige … - bitte.“ Ich brachte diese Worte recht gedehnt hervor, denn es war mir recht unangenehm, ausgerechnet von meinem Ranzen daraufhin gewiesen zu werden, dass ich eine Träumerin bin. Schließlich wusste ich das ja längst selbst.

„Ist schon gelaufen, und da bringen auch Entschuldigungen nichts mehr. Aber sag mir jetzt endlich, willst du, dass ich dir helfe oder nicht! Denn wenn ich dir helfen soll, dann musst du mir als allererstes schon mal zuhören. Sonst macht die ganze Sache keinen Sinn, und für sinnlose Sachen verschwende ich im Allgemeinen keine Zeit!“

Ich merkte wie ich puterrot bei dieser Rüge wurde, doch so schnell gab ich nicht klein bei. Deshalb wollte ich jetzt von meinem Ranzen wissen: „Ja, dann sag mir doch endlich, wie willst ausgerechnet du mir bei meinen Sachen helfen können? Die kapiere ja nicht einmal ich ...“

„Und wer sagt dir, dass ich dir nicht bei deinen Arbeiten helfen kann?“ Provokativ stellte er diese Frage und funkelte mich mit seinen Katzenaugen so an, dass mir fast Angst und Bange dabei wurde.

„Na ich, wer sonst???“ kam jetzt ziemlich lahm von mir.

„Kann ich vielleicht doch ...“

„Wie meinst du das?“

„Wir könnten einen Pakt schließen. Hör mir mal genau zu ...“

„Okay, ich höre. Aber erzähl mir jetzt keinen Quatsch!“ Richtig vorwitzig sprang ich auf.

Mein Ranzen schüttelte einen kurzen Moment seinen Körper, und bei dem was dann kam staunte ich Bauklötze.

„Also pass auf, ich mache dir einen Vorschlag! Du traktierst mich nicht mehr und ich helfe dir dafür bei deinen Klassen- und Schularbeiten.“

„Wie soll das denn gehen?“ In meinem Inneren begann ich mich über den Unfug, den ich da hörte, zu amüsieren. Doch ich wäre sehr froh gewesen, wenn ich an diese Worte hätte glauben können.

Da ich nicht recht wusste wo ich dran war, trat ich unsicher trat von einem Bein aufs andere.

Sollte mein Ranzen wirklich eine Idee haben, oder wollte er mich hier nur verschaukeln?

„Schau mich nicht an als käme ich vom Mond“, kam in diesem Augenblick von ihm „von dort komme ich nämlich nicht.“

„Was soll das jetzt wieder heißen“, wollte ich von ihm wissen. So langsam verlor ich die Geduld. Und daran, dass er mir helfen könnte, glaubte ich sowieso nicht.

Doch unbeirrt setzte er wieder zu reden an.

„Das ist doch ganz einfach. In mir bewahrst du doch deine Schulsachen auf ...“

„Ja und ...“, gab ich ihm schnippisch zur Antwort.

„Was meinst du, was ich mit deinen Schulsachen mache?“

„Nichts, was solltest du auch damit machen?“ Ich begriff nicht worauf er hinaus wollte.

„In der Zeit, in der sie von dir nicht beachtet werden sondern in meinem Bauch sind, lerne ich sie auswendig!“

„Das ist Blödsinn hoch zehn, was du mir da erzählst, das kannst du mir doch nicht weismachen“, erwiderte ich einen Tick zu laut. „Halt mich doch nicht für blöde! Wie willst du das denn machen?“

Ich verstand die Welt nicht mehr.

Ein Ranzen, der lernt? Und das auch noch freiwillig? Das war mir nun wirklich zu hoch.

„Ja, all die Jahre, die ich schon bei dir bin, habe ich alle deine Bücher auswendig gelernt. Und das hat mir noch jedes Mal eine riesige Freude gemacht“, bekannte er fröhlich.

„Du spinnst … - du willst mich doch nur verscheißern ...“

Ich schüttelte so wild ich nur konnte den Kopf und ließ mich wieder auf den Boden plumpsen. Dabei versuchte ich wieder Klarheit in meinen Kopf zu bekommen.

Es konnte doch nicht sein, dass ich hier allen Ernstes auf dem Boden mit dem meinem Ranzen saß und mich mit ihm übers Lernen unterhielt, oder?

Was ging hier bloß vor sich?

Drehte ich jetzt etwa wegen dieser Mathe-Arbeit völlig durch?

Das konnte doch alles nicht wahr sein.

Aber noch bevor ich weiter in diese Richtung denken konnte meldete sich mein Ranzen schon wieder zu Wort. „Nein, ich meine das was ich sage wirklich sehr ernst!“

Richtig vorwurfsvoll kamen diese Worte bei mir an.

„Deshalb weiß ich auch, dass ich dir helfen könnte. Schließlich lerne ich deine Bücher nicht nur auswendig, sondern passe, im Gegensatz zu dir, im Unterricht auch immer sehr genau auf!

Und bis heute habt Ihr noch keine Arbeit geschrieben, die ich nicht hätte mitschreiben können, und zwar mit richtig guten Noten!“

„Sag bloß ...“ Ich begriff jetzt überhaupt nichts mehr. Deshalb sprach ich gelangweilt dazwischen.

Doch mein Ranzen ließ sich davon nicht beirren.

„Also, wenn du mir versprichst in Zukunft anders mit mir umzugehen helfe ich dir bei deinen Arbeiten, und wenn du willst auch bei deinen Hausaufgaben. Damit bist du dann viel, viel schneller damit fertig und hast dadurch auch viel mehr Zeit für Sachen die dir echt Freude machen. Was hältst du davon?“

Ich nickte, und sofort gingen meine Gedanken in Richtung Fußball …

Noch konnte ich das Gehörte kaum glauben, denn es hörte sich für mich viel zu phantastisch an.

Mein eigener Ranzen wollte mir dabei helfen, dass ich in der Schule besser würde … - ich schwieg. Denn das was er mir da sagte, das musste ich zuerst einmal verdauen.

 „Nun sag schon wie du darüber denkst!“ Ungeduldig drängte er auf eine Antwort. „So schwer kann es dir doch nicht fallen mit mir in Zukunft manierlich umzugehen, oder? Du bist doch schließlich zu deinen Freundinnen und Freunden auch nicht so rüde! Also wo hängt es?“

Ich konnte nur über ihn staunen, doch glauben konnte ich ihm noch nicht.

„Wer sagt mir denn, dass du die Wahrheit sagst“, war deshalb meine nächste Frage.

„Ich! Reicht dir das denn nicht???“

„Nein, beweise es mir!!! Sagen kann man schließlich viel, wenn der Tag lang ist!“

„Okay, dann lass uns gleich mal anfangen. Bist du bereit dazu?“

„Aber klar doch!!!“

„Was haben wir heute auf?“ wollte ich als Erstes von ihm wissen.

„Das weißt du doch selbst, aber … - na gut, ich will mal nicht so sein“, lautete seine Antwort. „Französisch, Mathe und Englisch. In Bio seid Ihr alle mit einem blauen Auge davon gekommen und Geo fiel aus, ebenso Sport, weil die Seilmann krank ist.“

Erstaunt sah ich ihn an, denn das was er sagte stimmte soweit ganz genau.

„Und was haben wir in Französisch, Mathe und Englisch auf?“

Zwar konnte ich es immer noch nicht glauben was ich soeben gehört hatte, doch so langsam bekam ich Vertrauen in das was mir mein Ranzen hier erzählte.

„In Mathe ist die Berichtigung der falschen Aufgaben aus der Mathe-Arbeit zu machen. Englisch reicht es, wenn du die letzten Vokabeln auswendig lernst und in Französisch hast du einen Aufsatz zu schreiben, zu dem was du in den Ferien gemacht hast. Nur mach die Französischaufgaben nicht wieder auf Klopapier … - du weißt, die Harth versteht darin keinen Spaß. Ich selbst habe diese Sache, um ehrlich zu sein, auch nicht sehr lustig gefunden. Du machst, statt im Unterricht aufzupassen, sowieso viel zu viel Unsinn!“

Mit offenem Mund stand ich vor dem Ranzen, so perplex war ich. Denn jedes Wort entsprach den Tatsachen. Er musste also wirklich gut aufgepasst haben in der Schule.

In Gedanken ging ich den Unterricht vom Vormittag noch einmal durch.

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